PM: Zukunftsorientierte Mobilität statt Staupolitik!
Die jüngsten Aussagen der Wirtschaftskammern IHK und HWK zur Verkehrssituation erwecken den Eindruck, dass eine Rückkehr zur autogerechten Stadt die Lösung für alle Probleme urbaner Mobilität sei. Verkehrswende Leipzig und der ADFC kritisieren dies!
Die jüngsten Aussagen der Wirtschaftskammern IHK und HWK zur Verkehrssituation in Leipzig erwecken den Eindruck, dass eine Rückkehr zur autogerechten Stadt die Lösung für alle Probleme urbaner Mobilität sei. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Leipzig e.V. und die Initiative Verkehrswende Leipzig kritisieren diese einseitige Sichtweise scharf und fordern stattdessen die konsequente Umsetzung der 2018 einstimmig beschlossenen Mobilitätsstrategie der Stadt Leipzig. Die Strategie sieht eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr hin zur Mobilität zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn vor und schafft damit auch bessere Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsverkehr.
IHK und HWK ignorieren die Potenziale zukunftsorientierter Mobilität
Die IHK und HWK beklagen die vermeintliche Benachteiligung des Autoverkehrs und die steigende Zeitbelastung durch Staus, wie sie im aktuellen TomTom Traffic Index beschrieben wird. Dabei wird übersehen, dass nicht die zaghaften Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Mobilität, sondern der raumgreifende Kfz-Verkehr die Hauptursache für die Verkehrsprobleme ist.
„Die Stadt- und Verkehrsplanung der letzten Jahrzehnte hatte die Infrastruktur und Flächennutzung in Leipzig weitgehend auf Autos zugeschnitten. Der dringend erforderliche Übergang hin zu nachhaltigen Verkehrsmitteln geht bisher nur schleppend voran. Wir müssen diesen Wandel jetzt entschlossener angehen, um Mobilität für alle zu ermöglichen und die Anziehungskraft der Stadt zu erhalten. Überholte Planungsansätze bringen uns nicht weiter. Die Verkehrswende ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit für die Zukunft unserer Stadt“, betont Katja Roßburg von der Initiative Verkehrswende Leipzig.
TomTom Traffic Index: Verzerrtes Bild der Wirklichkeit
Der TomTom Traffic Index wird oft als Rechtfertigung für die Förderung des Autoverkehrs genutzt. Dabei weist die vom Anbieter nicht vollständig offengelegte Methodik des Rankings erhebliche Schwächen auf. So misst der Index lediglich Zeitverluste in den Spitzenstunden im Vergleich zu einer fiktiven Freie-Fahrt-Situation. Zudem werden in Städten mit vielen Schnellstraßen und Autobahnen die Durchschnittsgeschwindigkeiten deutlich höher ausgewiesen.
Die tatsächliche Mobilität und ihre gesellschaftlichen Kosten – wie Flächenverbrauch, Straßeninstandhaltung, Lärmbelastungen, Luftverschmutzung und Unfallrisiken – werden nicht berücksichtigt. Der Index betrachtet allein den motorisierten Individualverkehr, der in Leipzig bei einem Anteil von etwas mehr als einem Drittel aller Wege liegt, während nachhaltige Verkehrsmittel und ihre Vorteile für urbane Räume nicht einbezogen werden. In einem Forschungsprojekt der Universität Kassel wurde festgestellt, dass deutschen Kommunen Autoverkehr im Vergleich zum ÖPNV das Dreifache kostet. Weitere Kosten-Nutzen-Analysen belegen, dass Fuß- und Radverkehr im Gegensatz zum Autoverkehr volkswirtschaftlichen Gewinne liefern.
Warum die Mobilitätsstrategie der richtige Weg ist
Die Interpretation des TomTom Traffic Index als Beleg für eine fehlgeleitete kommunalen Verkehrspolitik ist wissenschaftlich unhaltbar. Die Lösung für Leipzig liegt nicht im teuren Ausbau der Autoinfrastruktur, sondern in einer konsequenten Förderung des kosteneffizienteren Umweltverbunds. Die Mobilitätsstrategie setzt mit dem Nachhaltigkeitsszenario richtigerweise auf die Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV. Eine deutliche Reduzierung des Kfz-Verkehrs führt zu einer effizienteren Nutzung des Straßenraums, zu besserer Luftqualität, weniger Lärm und mehr Sicherheit.
„Die Behauptung der Leipziger Wirtschaftskammern, dass mehr Platz fürs Auto nötig sei, um Staus zu vermeiden und den Verkehrsfluss zu beschleunigen, ist ein Trugschluss, der die Problematik verschärft. Das wäre in etwa so, als würde man bei einem verstopften Trichter vorschlagen, einfach oben noch mehr reinzuschütten. Jeder kann intuitiv verstehen, dass am Trichterende nicht mehr herauskommt. Genauso führt die vorrangige Gestaltung der Infrastruktur für Kraftfahrzeuge durch den bekannten Effekt der induzierten Nachfrage zu mehr Autoverkehr und damit zu noch mehr Staus. Der Platz auf unseren Straßen ist jedoch begrenzt“, erklärt Philipp Böhme vom ADFC Leipzig e.V.
Forderungen an Stadtverwaltung und Stadtpolitik
Der ADFC Leipzig e.V. und die Initiative Verkehrswende Leipzig rufen die Stadtverwaltung und die Stadtpolitik auf, derartigen Forderungen nach einer Rückkehr zur autogerechten Stadt eine klare Absage zu erteilen. Stattdessen muss die Mobilitätsstrategie zügig und konsequent durch die Verwaltung umgesetzt werden und darf nicht in der Ratsversammlung blockiert werden. Folgende Maßnahmen sollten im Fokus stehen:
- Zielorientierte Investitionsentscheidungen: Angesichts knapper öffentlicher Kassen und zeitlich schwindendem Handlungsspielraum muss die Priorisierung von Investitionen auf Analysen der Kosten-Nutzen-Verhältnisse beruhen, die an den Zielen der Mobilitätsstrategie ausgerichtet sind.
- Kostengünstiger und wirkungsvoller Ausbau der Radinfrastruktur: Die gewünschte Verlagerung kann mit dem ÖPNV allein nicht schnell genug umgesetzt werden. Die Verlagerung muss nicht nur direkt vom Auto auf das Rad ermöglicht werden, sondern das Rad als Alternative zum ÖPNV hilft in Spitzenstunden auch Kapazitäten im ÖPNV zu schaffen.
- Flächendeckendes Parkraummanagement: Die Nutzung des öffentlichen Raums und von privaten Parkflächen muss effizienter gestaltet werden. Dies schafft bessere Bedingungen für den Anlieferungsverkehr von Gewerbe und Handwerk sowie Parkmöglichkeiten für haushaltsnahe Dienstleister.
Forderungen an die Wirtschaftskammern IHK und HWK
Letztlich sind auch die Wirtschaftskammern und ihre Mitgliedsunternehmen aufgerufen eigene Lösungen zu entwickeln. Betriebliches Mobilitätsmanagement wird von IHK und HWK weder auf ihren Webseiten thematisiert noch werden hierfür konkrete Beratungsangebote offeriert. Auch den Zertifikatslehrgang „Betriebliches Mobilitätsmanagement“ scheint man bei der IHK Leipzig nicht anbieten zu wollen. Dagegen präsentiert sich der Westdeutsche Handwerkskammertag fortschrittlich mit seinem umfangreichen Informations- und Beratungsangebot „Mobility Hub Handwerk Nordrhein-Westfalen“.
Ansprechpartner*innen im ADFC Leipzig und Verkehrswende Leipzig:
Philipp Böhme, AG Verkehr des ADFC Leipzig,
philipp.boehme@adfc-leipzig.de sowie info@verkehrswende-le.de
Weiterführende Links:
[1] Medieninformation der IHK und HWK vom 09.01.2025: https://www.hwk-leipzig.de/artikel/leipziger-verwaltungsspitze-ignoriert-stadtratsbeschluss-3,1027,10962.html
[2] Informationen der Stadt Leipzig zur Mobilitätsstrategie: https://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/verkehrsplanung/mobilitaetsstrategie-2030/nachhaltigkeits-szenario
[3] LVZ-Artikel vom 08.01.2025: https://www.lvz.de/lokales/leipzig/leipzig-autofahren-kostet-immer-mehr-zeit-GYKW7VOVUBBZVO7JVZ7V4ELIAI.html
[4] TomTom Traffic Index: https://www.tomtom.com/traffic-index/
[5] Artikel in Internationales Verkehrswesen vom 16.02.2018: https://www.internationales-verkehrswesen.de/studie-autoverkehr-kosten-kommunen/
[6] Informationen vom Umweltbundesamt zum Radverkehr: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/nachhaltige-mobilitaet/radverkehr
[7] Mobilitiy Hub Handwerk Nordrhein-Westfalen: https://www.mobilityhub-handwerk.de/